Stimmen  
   

Das Medium des Filmes ermöglicht einen teilnehmenden Blick von uns Zuschauenden in die Tiefe, in der sich die unmittelbare, direkte Betroffenheit mit den Worten verbinden kann. Es sind die Bilder, durch die das Unbewusste in unser Bewusstsein übergeht. Und in uns klingt auf dem Flügel der Kunst eine Saite mit, die fast vergessen und verklungen schien. Dorothea Buck und Alexandra Pohlmeier sind Künstlerinnen in ihrem Fach. Schon der Herausgeber des Buches: „Auf der Spur des Morgensterns“ Hans Krieger, der zuerst ein gesellschaftskritischer Journalist war, ist inzwischen zum Lyriker geworden und hat mehrere Gedichtbände veröffentlich. Er war es, der Dorothea Buck dafür gewann, statt des von ihr geplanten psychiatriekritischen theoretischen Textes über eigenes Erleben zu schreiben, um damit erstmals erfahrbar zu machen, wie die Psychose von innen aussieht. In einem mehr als zwölfjährigen Prozess existentieller und befreiender Gespräche zwischen Dorothea Buck und Hans Krieger erhielt die Substanz des Erlebten in wiederholten Anläufen im endgültigen Text ihren klaren Aufbau und ihre stilistische Gestalt.
Und ich glaube, man kann sogar sagen, dass der künstlerische Geist unserer Mutter hier den Boden bereitet hat. Dabei gelingt es Alexandra Pohlmeier, Dorotheas Bucks Aquarelle und ihr bildhauerische Werk ins rechte Licht zu rücken und mit den Gesprächen in Einklang zu bringen.
Es fehlen mir fast die Worte für das Sichtbarwerden eines letzten Aktes der Heilung des großen Schmerzes. In den beinahe heiteren Berichten fließen die traumhaften psychotischen Vorstellungen über eine kleine Schwelle des Erwachens in die Weisheit des realen Tageslichtes. Man könnte fast glauben, meine Schwester hätte gar keine Schizophrenie gehabt. Aber das gerade wäre ein widersinniger und sogar verhängnisvoller Irrtum. Vielleicht müssen wir andersherum über Krankheiten nachdenken, die wie die Gesundheit einen Sinn in sich selber für ein vollständiges menschliches Leben haben.
Das ist aber noch nicht alles. Alexandra Pohlmeier, Tochter des Psychoanalytikers Hermann Pohlmeier, der schon seinerzeit vom Fragen nach der Heilung von Psychosen bewegt war, setzt noch einmal mit Fragen an. Sie will von mir wissen, wie ich als 15-Jährige den Einbruch der Berufung meiner Schwester in meine Welt erlebt habe. Ich schildere im Film mein bodenloses Entsetzen und die Rat- und Hilflosigkeit unserer Eltern der ersten Zeit. Diese Schilderung kann für Zuschauer, die selbst als Angehörige betroffen sind, den Einstieg in die Suche nach dem Sinn für ihre Rolle in dem gemeinsamen Lebens-Drama geben. Aber es ist nur der Einstieg. Ich beschreibe den weiteren Verlauf der Sinnsuche und Selbstfindung als Angehörige im Nachwort des im September 2012 im Paranus Verlag & Anne Fischer Verlag erscheinenden Buches von Dorothea Buck, „Ermutigungen“. Dabei ist die Erkenntnis, dass es sich um ein gemeinsames Familienschicksal handelt, der Kompass für die Suche nach dem Sinn für Angehörige überhaupt.

Anne Fischer-Buck

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